38 Sekunden betrug der Vorsprung von China-Sieger Nico Rosberg auf den zweitplatzierten Sebastian Vettel. Keinen seiner bisherigen 16 Grand-Prix-Siege konnte der Mercedes-Pilot mit einem solch großen Vorsprung feiern. Dabei hatte ihm Lewis Hamilton bereits am Donnerstag ein leichtes Wochenende prognostiziert, weil klar war, dass er wegen eines Getriebewechsels fünf Plätze nach hinten versetzt würde.

Dass es sein Teamkollege allerdings so leicht haben würde, daran hatte Hamilton wohl in seinen schlimmsten Albträumen nicht gedacht. Erst der Quali-Ausfall von Hamilton selbst, dann die Fahrfehler der Ferrari-Piloten. Schon die Pole wurde Rosberg auf dem Silbertablett serviert. Im Rennen ging dann zunächst Daniel Ricciardo am Start vorbei, doch der gab Platz eins mit einem Reifenschaden schnell wieder ab.

Läuft bei Nico Rosberg: Dritter Sieg im dritten Saisonrennen, saisonübergreifend war es sogar der sechste Rosberg-Sieg in Folge. Läuft nicht so bei Lewis Hamilton: Der Brite erlebte das wohl schwärzeste Wochenende seiner bisherigen Formel-1-Karriere. Am Ende reichte es immerhin noch für Platz sieben, doch in der Weltmeisterschaft fehlen ihm damit schon 36 Punkte.

Hamilton verpatzt Melbourne und Bahrain selbst

In Melbourne und Bahrain hatte Lewis Hamilton schlechte Starts, Foto: Sutton
In Melbourne und Bahrain hatte Lewis Hamilton schlechte Starts, Foto: Sutton

Der eine schwebt gerade auf Wolke sieben, der andere hadert mit seinem Schicksal. Am China-Wochenende war Lewis Hamilton schuldlos. Die technischen Defekte konnte er nicht beeinflussen, bei der Startkollision konnte er nichts mehr verhindern. In Melbourne und in Bahrain jedoch musste sich der Brite an die eigene Nase fassen.

Beide Male konnte er seine Pole Position nicht bis Kurve eins verteidigen, in Bahrain folgte auch noch die Kollision mit Valtteri Bottas. Die ging zwar mehr auf die Kappe des Williams-Piloten, aber ganz unschuldig war Hamilton auch hier nicht.

In der Vergangenheit hätte man die schlechten Starts wohl auf das Material geschoben. Doch seit dieser Saison sind die Piloten wieder stärker eigener Herr am Start. Ist der Schleifpunkt der Kupplung einmal gewählt, dürfen die Ingenieure nichts mehr verändern. Die Fahrer sind auf sich allein gestellt. Und das ist auch das einzig Positive, das Hamilton aus dem China-Wochenende mitnehmen kann: "Mein Start war heute gut", freute er sich. "Endlich hatte ich einen guten Start."

Guter Start kostet Hamilton Frontflügel

Doch auch hier trifft ihn der Start wie ein böser Bumerang. "Lewis hatte seinen mit Abstand besten Start der Saison, was ironischerweise wiederum dazu beitrug, dass er in die Kettenreaktion vor ihm verwickelt wurde", erklärte Paddy Lowe. Wäre Hamilton schlechter gestartet, wäre er wohl nicht in die Kollision verwickelt worden und hätte sich sein Auto nicht beschädigt.

Auf der anderen Seite Glück für Nico Rosberg: "Ich habe erst auf dem Video gesehen, dass Kimi so nah dran war, mich rauszuschieben, als er in Kurve eins den Fehler gemacht hat. Er muss mich nur um wenige Zentimeter verpasst haben, das war richtig knapp - im Auto habe ich das gar nicht gesehen."

Der eine hat eben einen Lauf, der andere nicht. Doch warum traten die technischen Defekte alle bei Lewis Hamilton auf? Rosberg und Hamilton tauschten vor diesem Jahr einen Teil ihrer Mechaniker, manch einer vermutet hier den Grund dafür. "Rob, der Chefmechaniker, den wir getauscht haben, vermutet schon, dass es vielleicht an ihm liegt", sagte Toto Wolff nicht ganz ernst nach dem Qualifying. Robert Musgrave kümmert sich in diesem Jahr um das Auto von Nico Rosberg, Nathan Divey um den Boliden von Lewis Hamilton.

Mercedes 2016 technisch noch nicht einwandfrei

Doch bei genauerem Hinsehen, lief auch bei Nico Rosberg an diesem Wochenende nicht alles rund. Am Freitag machte Rosbergs Power Unit am Ende des 1. Freien Trainings Ärger. Der Mercedes kam nur noch im 'Limp-Home-Modus' zurück an die Box. Mercedes diagnostizierte später Probleme mit der Zündung. Die Zuverlässigkeit stimmt noch nicht zu einhundert Prozent beim Weltmeisterteam.

Auch Rosberg war nicht frei von Technik-Sorgen, Foto: Sutton
Auch Rosberg war nicht frei von Technik-Sorgen, Foto: Sutton

Während sich technische Defekte 2014 relativ gerecht zwischen Rosberg und Hamilton aufteilten, war im vergangenen Jahr Nico Rosberg öfter der Pechvogel. Während der Brite das 'Glück' hatte, in Singapur beim einzigen Rennen auszufallen, bei dem Mercedes nicht konkurrenzfähig war, fiel Rosberg beim Russland GP in Führung liegend aus und auch beim Italien GP machte ihm der Motor schon früher am Wochenende Probleme, bevor das alte Triebwerk im Rennen dann den Dienst quittierte.

Nun trifft es also Hamilton. Beim Saisonauftakt tröstete sich der Weltmeister noch mit dem Vergleich zu 2014. Damals fiel er wegen eines defekten Zylinders beim Saisonauftakt aus. "Da habe ich 25 Punkte verloren, heute nur 7", sagte er beim Australien GP vor vier Wochen. "Heute fühlt es sich nicht besser an als damals. Es fühlt sich jetzt schlechter an, weil es ein schlechtes Rennen nach dem anderen war", musste Hamilton zähneknirschend nach dem China GP zugeben. 2014 begann er schon in Rennen zwei mit der Aufholjagd. Obwohl Rosberg weiter fleißig punktete, war Hamilton nach dem fünften Saisonlauf schon WM-Führender.

Laut Statistik wird Nico Rosberg nach seinen drei Siegen zum Auftakt Weltmeister. Noch nie hat ein Fahrer in der Formel-1-Geschichte, der die ersten drei Rennen gewonnen hat, die WM-Führung am Ende noch abgeben müssen. "Aber es ist auch die längste Saison in der Formel-1-Geschichte", weiß Rosberg. "Es sind 21 Rennen, 18 davon kommen noch."

So sieht es auch Teamchef Toto Wolff: "Ich würde nicht sagen, dass Nico jetzt der Favorit ist. Wenn man es wissenschaftlich angehen will: Es ist nur Rennen 3 von 21. Statistisch passiert so viel mehr, dass man von keinem Favoriten sprechen kann."

Hamilton: Habe keinen Joker mehr

An der mentalen Stärke seiner Piloten zweifelt Toto Wolff nicht. "Beide von ihnen sind in einer guten Verfassung. Lewis hat jeden Grund, über das Ergebnis sauer zu sein - und er wäre kein dreifacher Weltmeister, wenn es ihn nicht ärgern würde -, aber ich zweifle nicht daran, dass er stark zurückkommt."

Die WM-Rivalen selbst spielen ihre Situationen jeweils herunter. "Natürlich ist Lewis nicht weit hinten, ich weiß es nicht genau, vielleicht 30 Punkte - das ist nicht viel, das ist ein Rennen und ein bisschen was", so Rosberg.

"Ich bin jetzt 50 Punkte hinten, oder?", fragte Hamilton nach dem China GP provokant in die Runde. Nach der Aufklärung, dass es 'nur' 36 Punkte sind, scherzt er: "Das ist ja gar nicht so schlecht, das ist sogar ziemlich gut. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, es kann noch viel passieren. Ich habe nur keinen Joker mehr zur Verfügung."