Reifen, Strategie, Funkverkehr und andere Schwierigkeiten hin oder her: Ferrari hat Mercedes in Malaysia geschlagen. Zum ersten Mal in der Geschichte der neuen Hybrid-Formel-1 haben die Silberpfeile ein Rennen verloren, das nicht von technischen Problemen, Unfällen oder Chaos bestimmt war. Aus eigener Kraft ist Ferrari vorbeigeschossen und das ist auch Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff klar. "Man muss anerkennen, dass Ferrari verdammt schnell war", gab er ehrlich zu. Läutet dieser Sieg von Vettel in Malaysia nun aber eine Trendwende ein, oder war es ein einmaliger Ausrutscher im Sternenlager?

Zum Saisonauftakt in Australien trennten Lewis Hamilton und Sebastian Vettel im Qualifying satte 1.656 Sekunden, in Malaysia - auf nasser Strecke - lediglich 67 Tausendstel. Für Wolff ist aber keines der beiden Ergebnisse wirklich ein Fingerzeig für die restliche Saison. Melbourne verfüge über weniger Grip und wenige Highspeed-Abtrieb-Kurven sowie keine harten Bremspunkte. In Malaysia seien hingegen die enorme Hitze und Asphalttemperaturen von rund 60 Grad ein Faktor gewesen. "Das sind beides Ausreißer in die eine oder andere Richtung", so Wolff. "Ferrari war bei diesen Bedingungen und der Hitze auf unserem Niveau, weil sie den besseren Reifenverschleiß hatten. In Shanghai wird es vermutlich wieder anders sein."

Davor warnte auch Malaysia-Sieger Vettel selbst. Er betrachtet Ferrari als sehr gutes Paket, rechnet aber nicht mit einer Trendwende. Seiner Meinung nach hätte Mercedes - wie von Wolff angesprochen - speziell in Malaysia wohl ein Problem gehabt. "Man muss realistisch bleiben. Sie hatten über den Winter, während der Testfahrten und auch im ersten Rennen einen großen Vorsprung. Der verschwindet nicht einfach", drückte Vettel auf die Euphoriebremse. Deshalb bleibt es das Ziel von Ferrari, die Lücke zu verringern und sich zunächst als zweite Kraft hinter Mercedes zu etablieren.

Begleitet uns der Kampf Ferrari gegen Mercedes die ganze Saison?, Foto: Sutton
Begleitet uns der Kampf Ferrari gegen Mercedes die ganze Saison?, Foto: Sutton

Ein Umdenkvorgang

Diese Lücke muss aus Sicht der Silberpfeile aber bestehen bleiben. Um genau dieses Ziel für den dritten Grand Prix in China zu erreichen, wird bei Mercedes nun gearbeitet. Für Wolff gibt es keinen einzelnen Bereich, sondern verschiedene Dinge, die verbessert werden müssen. "Wir haben keine Panik, aber wir müssen umdenken. Es war seit langer Zeit nicht mehr der Fall, dass wir nicht die Kontrolle über die Dinge hatten", gab er ehrlich zu. "Auf der anderen Seite war auch klar, dass diese Siegesserie nicht ewig so weitergehen würde."

2014 wurde die Siegesserie lediglich zwei Mal unterbrochen - jeweils von Ricciardo, der in Kanada, Ungarn und Spa triumphierte. Aber auch in jener Saison verlief für Mercedes in Malaysia nicht alles nach Plan. Entsprechend schreibt Wolff den Einbruch der Silberpfeile hauptsächlich der Strecke zu. "Bei diesen heißen Bedingungen und der Luftfeuchtigkeit hatten wir nicht das schnellste Auto", so der Motorsportchef. Gleichzeitig wollte er nicht zu optimistisch an die neue Situation herangehen. "Die Temperaturen waren recht außergewöhnlich und darunter haben wir gelitten. Aber es nur darauf zu reduzieren, wäre ein bisschen naiv. Sie [Ferrari] haben tolle Arbeit geleistet und ein gutes Auto gebaut. Zudem haben sie tolle Fahrer."

Entsprechend könnte es in dieser Saison öfter passieren, dass Mercedes nicht einsam an der Spitze fährt. Ein Problem in Malaysia, denn der F1 W06 war sehr auf Abtrieb getrimmt und hatte im Vergleich zur Konkurrenz deutlich weniger Top-Speed. Diese Einstellungen des Autos sind aber nicht einfach veränderbar, wie Wolff auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com schilderte. "Es gibt eine Grundcharakteristik des Autos und eine Grund-DNA. Die ist in unserem Fall auf Abtrieb und Luftwiderstand ausgelegt. Das kann man nicht einfach ändern."

Foto: Ferrari
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Keine neue Ära

Dennoch musste Wolff schmunzeln, als er auf eine mögliche neue Ära angesprochen wurde. Er warnte davor, ein einziges Rennen bereits als neue Zeitrechnung zu werten und zeigte mit dem Finger an den dominanten Doppelsieg der Silberpfeile in Australien. "Dort dachte jeder, Mercedes gewinnt über die Saison nun alles und niemand sei in der Lage, uns zu schlagen", erinnerte er. "Und nun zwei Wochen später sollen wir von einer neuen Ära sprechen?

Von derartigen Aussagen wollte auch Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene nichts hören. Er rief zu Realismus auf und erinnerte an seine Worte zu Beginn der Saison. "Wir wollen zwei Siege, jetzt haben wir ein Rennen gewonnen", so der Italiener. Aus seiner Sicht kann es sogar manchmal ein Nachteil sein, wenn die erwarteten Ziele schon so früh erreicht werden. "Wir bleiben mit den Füßen auf dem Boden. Ich denke, dass Mercedes super stark ist, aber wir lassen uns nicht ablenken und folgen unserem Programm."

Das ist auch das Ziel von Mercedes - allerdings in etwas abgeänderter Form. Wolff ist überzeugt, dass sein Team die nötigen Ressourcen und Angestellten hat, um sich gegen Ferrari zu stellen. Fehlersuche steht in den kommenden Tagen dennoch auf dem Programm. "Wir müssen dran bleiben und die Dinge ordentlich entwickeln und die richtigen Dinge ans Auto bringen", so Wolff. Hier kann es sein, dass der ursprüngliche Plan etwas verändert wird. "Vielleicht werden wir einige Dinge früher bringen, als das ursprünglich geplant war."

Foto: Sutton
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Mercedes schiebt keine Panik

Von Panik will Wolff in diesem Zusammenhang aber nichts wissen. "Es gibt keinen Grund zur Panik. Vielleicht sind wir nur wieder zurück in einer normalen Rennsaison, in der es mehr als einen Herausforderer gibt und mehr als nur Doppelsiege an jedem Wochenende", zeigte sich der Österreicher entspannt.

In gewisser Weise ist der Mercedes-Motorsportchef Ferrari sogar dankbar. "Vielleicht wird jetzt die ganze Ausgleichsdebatte etwas neutralisiert", meinte er in Richtung Red Bull. Sie hatten nach Australien von der FIA gefordert, einen Weg zu finden, um den Mercedes-Vorsprung gegenüber den restlichen Teams zu egalisieren.

Zumindest in Malaysia ist dieses Ziel nun ohne Eingriff der FIA erledigt worden - vielleicht auch in Zukunft? Mercedes will die Herausforderung auf jeden Fall annehmen und freut sich auf einen guten Kampf. "Man muss das große Ganze im Auge behalten. Auf meiner Agenda steht natürlich der Titelgewinn mit Mercedes, aber ich weiß auch, dass es keine alltägliche Situation ist, jedes Rennen zu gewinnen. Ein wiedererstarkter Ferrari mit Sebastian Vettel - gerade in Zeiten, in denen wir den Deutschland Grand Prix verloren haben, ist eine gute Sache", schloss Wolff gegenüber Motorsport-Magazin.com ab.